Bullshit Jobs im Kapitalismus
David Graeber
beschrieb in seinem Buch Bullshit Jobs, dass selbst im Kapitalismus
ein erheblicher Teil aller Arbeiten überflüssig sind.
Die Menschen, die diese Bullshit Jobs ausfüllten, wissen häufig
noch nicht mal, welchen Sinn ihre Arbeit hat.
Graeber identifizierte
fünf Jobtypen als Bullshit-Jobs,
die sich in allen größeren Unternehmen finden lassen:
-
Lakaien (flunkies) sind Jobs, deren eigentlicher Sinn
darin besteht, ihre Vorgesetzten wichtig aussehen zu
lassen; z. B. Rezeptionisten.
-
Schläger (goons) werden nur gebraucht, um
Schläger anderer Unternehmen in Schach zu halten;
z. B. Unternehmensanwälte, PR-Spezialisten.
-
Flickschuster (ducttapers) lösen die Symptome
von Problemen temporär, ohne die Wurzel der Probleme
anzugehen; z. B. Programmierer, die fehlerhaften Code reparieren.
-
Kästchenankreuzer (boxtickers) seien mit der
Dokumentation von Arbeit beschäftigt, ohne selbst
nützliche Arbeit zu verrichten.
-
Aufgabenverteiler (taskmasters) kreieren und
verteilen sinnlose Aufgaben; z. B. mittleres Management.
Hinzu kommen die Abteilungen der Unternehmen und staatlichen
Verwaltungung, die wegen der Verkomplizierung der Steuergesetze (1968),
dem eingeführten Qualitäsmanagement und der
Zertifizierung von Unternehmen aufgebaut werden mussten.
Diese seihen hier angesprochen, um nur einige wenige Beispiele zu benennen.
Wie können z.B. Bullshit Jobs im Kapitalismus entstehen und finanziert werden?
Roosevelt
folgte 1930 den Empfehlungen
des
Ökonomen John Maynard Keynes,
der anhand des
steigenden Produktivitätszuwachses
für seine Enkelkinder, also Heute, eine 15 Stunden Woche vorhersagte,
WENN
Produktivität
und Löhne proportional zueinander anstiegen.
Quellen: David Graeber: Bullshit Jobs; Klett-Cotta; ISBN 978-3-608-98108-7; S.268,
David Graeber: Bullshit Jobs, A Theory,
Grafik.
Anhand der Grafik können wir sehen,
dass die USA dieser Forderung von Keynes nach dem zweiten Weltkrieg auch nach kam.
Ab 1962 zeichnete sich der Beginn einer ersten Auflösung ab.
Ab 1972 wird die Abkehr von Keynes Konzept deutlich sichtbar und
die Löhne wurden auf einem
bestimmten Niveau eingefroren.
Warum?
Betrachten wir nun die Entwicklung für die Verteilung der
Arbeitskräfte in den verschiedenen Wirtschaftssegmenten.
Seit 1962 verzeichnete die Forst- und Landwirtschaft eine Rückgang
um ca. 5% und das verarbeitende Gewerbe einen Rückgang um ca. 15%.
Zusammen sind dies ca. 20%, die offenbar durch den Dienstleistungssektor
aufgefangen wurden, da hier die Beschäftigung um ca. 20% anstieg.
Finanziert wurde dies meiner Meinung nach über die Gelder, die in
der Industrie durch die Rationalisierung als relativer Mehrwert frei wurden.
David Graeber
erklärt die Finanzierung im Buch "Bullshit Jobs"
genau mit dieser Argumentation.
Bei der Finanzierung spielt der
tendenzielle Fall der Profitrate
(nach Marx) eine entscheidende Rolle.
Der tendenzielle Fall der Profitrate bezeichnet hier einen Zyklus
von Anstieg und Verlust eines Mehrwertes, mit einer allgemeinen
Tendenz der Senkung des Mehrwertes am produzierten Einzelstück.
Ein
relativer Mehrwert
entsteht den Produzenten z.B. durch Rationalisierungen oder Lohnsenkungen
als Zusatzgewinn.
Die Produzenten verschaffen sich hiermit einen Wettbewerbsvorteil
gegenüber ihren Konkurrenten. In der Regel fließen die
Zusatzgewinne dann in eine Kriegskasse für zukünftige Kämpfe
um Marktanteile.
Dieser Wettbewerbsvorteil verliert sich aber, sobald die anderen
Produzenten mit Rationalisierungen oder Lohnsenkungen nachziehen.
Der relative Mehrwert geht verloren, sobald die Produzenten
anfangen, sich im Kampf um Marktanteile gegenseitig im Preis zu unterbieten.
Der Wettbewerb um Marktanteile ist ein Verdrängungskampf,
der auf die Erbeutung fremder Marktanteile zielt. Er kann sich soweit
steigern, dass die Produzenten anfangen, sich gegenseitig so stark zu
unterbieten, dass sie ihre Produkte sogar unter ihren Herstellungskosten
anbieten. Die Verluste der Hersteller werden dann jeweils aus der
Kriegskasse des Unternehmens bezahlt.
Dies geht hin bis zum Konkurs bestimmter Anbieter,
wobei deren Markt dann von den verbleibenden Produzenten übernommen wird.
Durch diesem Kampf um Marktanteile geht der relative Mehrwert aller
Produzenten verloren.
Wegen seines regelmäßigen Verlustes im Marktzyklus
wird dieser Mehrwert daher als relativ bezeichnet.
Da nach dem Verdrängungskampf die Preise pro hergestelltem
Einzelstück auf einem niedrigeren Niveau liegen, sinkt die
Profitrate am Einzelstück.
Das Unternehmen kann den Rückgang
des Gesamtprofits jedoch i.d.R. durch eine Zunahme des
Produktionsumfanges ausgleichen, da es nun den dazugewonnenen
Markt bedienen kann.
D.h., der Gewinn am Einzelstück sinkt und der Produzent
macht nun seinen Gewinn mit der Zunahme des Produktionsumfangs,
also durch Masse.
Aus diesem Grund sprechen wir vom tendenziellen Fall der Profitrate.
Der Gesetzgeber eines Staates ist in der Lage, durch neue
Verwaltungsvorschriften zusätzliche Verwaltungsarbeiten von den
Unternehmen einzufordern. Dies trifft alle Unternehmen in einem
Wirtschaftsraum in gleicher Weise. In Folge dieser neuen Verordnungen
müssen sowohl im Staat als auch in Unternehmen zusätzliche
Abteilungen aufgebaut werden, die diese Arbeiten leisten.
Ein Beispiel hierfür ist die Erweiterung des Steuerrechts in der
BRD im Jahre 1968 oder das Qualitätsmanagement oder die
Zertifizierung von Betrieben. Keins dieser Instrumente führte zu
einer Verbesserung der Qualität oder der Verlängerung der
Lebensdauer unserer industriellen Produkte. Denn der Mangel an Qualität
wurde als eingebaute Obsoleszenz vielfach nachgewiesen. Es zeigt nur
die Absurdität des gesamten Systems.
Mit dem Instrument neuer Verwaltungsvorschriften war die Finanzelite
über den Staat in der Lage,
den Wettbewerb um Marktanteile zu zügeln.
Die Unternehmen waren
nun gezwungen, den von ihnen selbst erwirtschafteten
relativen Mehrwert anzuzapfen, um diesen zur Finanzierung der
vom Staat geforderten Verwatungsaufgaben in ihren Unternehmen einzusetzen.
Steigende Steuern machten gleichfalls eine Aufblähung der Bürokratie
im Staat möglich und schuf Abteilungen, die auch den vom Gesetzgeber
geforderten zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedienten.
So wurden die Bullshit Jobs im Kapitalismus finanziert.
Und all diese künstlichen Jobs dienten nun wiederum
der Stabilisierung des volkswirtschaftlichen Kaufkraftvolumens
und der Nachfrage.
Diese neuen Bullshit Jobs im Dienstleistungssektor wurden schleichend und unsichtbar
mit dem von den Unternehmen erwirtschafteten relativen Mehrwert finanziert.
Die Bullshit Jobs machen im Kapitalismus
ca. 20% des gesamten Arbeitsaufkommens aus.
Weiterführende Betrachtungen für die BRD zeigen, dass
es zwischen den Zahlen für die BRD und denen der USA im hier betrachteten
Zeitraum nur geringfügige Abweichungen gibt.
Siehe Video:
Automatisierung, Arbeitszeit und Arbeitslosigkeit
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