Bullshit Jobs im Kapitalismus
David Graeber
beschrieb in seinem Buch Bullshit Jobs, dass selbst im Kapitalismus
ein erheblicher Teil aller Arbeiten überflüssig sind.
Die Menschen, die diese Bullshit Jobs ausfüllten, wissen häufig
noch nicht mal, welchen Sinn ihre Arbeit hat.
Graeber identifizierte
fünf Jobtypen als Bullshit-Jobs:
-
Lakaien (flunkies) sind Jobs, deren eigentlicher Sinn
darin besteht, ihre Vorgesetzten wichtig aussehen zu
lassen; z. B. Rezeptionisten.
-
Schläger (goons) werden nur gebraucht, um
Schläger anderer Unternehmen in Schach zu halten;
z. B. Unternehmensanwälte, PR-Spezialisten.
-
Flickschuster (ducttapers) lösen die Symptome
von Problemen temporär, ohne die Wurzel der Probleme
anzugehen; z. B. Programmierer, die fehlerhaften Code reparieren.
-
Kästchenankreuzer (boxtickers) seien mit der
Dokumentation von Arbeit beschäftigt, ohne selbst
nützliche Arbeit zu verrichten.
-
Aufgabenverteiler (taskmasters) kreieren und
verteilen sinnlose Aufgaben; z. B. mittleres Management.
Wie können z.B. Bullshit Jobs im Kapitalismus entstehen und finanziert werden?
Die Beantwortung dieser Frage ist dringend notwendig. Denn selbst
die meisten Linken bestreiten die Einführung und
Existenz der Bullshit Jobs
im großen Stil.
Sie behaupten, dass das Großbürgertum durch den
”tendenziellen Fall der Profitrate” (nach Marx) und den
damit verbundenen regelmäßigen Verlust des relativen Mehrwertes
nie so große Geldmengen bereitstellen kann,
um solch ein Heer von Bullshit Jobs dauerhaft zu finanzieren.
Für die Erklärung der Finanzierung der Bullshit Jobs
im Kapitalismus, ca. 20%, müssen wir etwas ausholen und
zurück in die 1930-er Jahre gehen, und zwar zum 24.Oktober 1929.
Untersuchen wir den US-Börsenkrach etwas genauer.
”Schwarzer Donnerstag
ist eine Bezeichnung für den 24. Oktober
1929 und den damit verbundenen folgenreichsten Börsenkrach der
Geschichte. Nachdem schon in den Vorwochen ein deutlicher Rückgang
des zuvor jahrelang stark steigenden Dow-Jones-Index verzeichnet worden
war, brach an diesem Tag Panik unter den Anlegern der New York Stock Exchange aus”.
Doch was war die Ursache?
In jener Zeit wurde davon ausgegangen, dass die menschlichen
Bedürfnisse immer weiter anwachsen würden und sich daher
die Nachfrage auf dem Markt ins unendliche steigern lasse.
In dieser Folge kam es zu einem jahrelang stark steigenden Dow-Jones-Index,
da Aktien als sichere Anlage galten und die Menschen dazu über gingen,
ihre Renten über Aktienkäufe abzusichern. Als der Zins für
Geldanleihen niedriger wurde als die Gewinnerwartung für die Rendite
an Aktien, beliehen die Menschen ihre Häuser und ihr Land, um zusätzlich
Aktien zu kaufen. Es entstand eine Aktienblase, die sich allein auf die hohe
Rendite der Aktien begründete, was aber genau betrachtet nichts weiter
als eine Wette (Optionshandel) war.
Der Zusammenbruch erfolgte, als der Markt für industrielle Güter
in die Sättigung ging, weil z.B. drei Kühlschränke in einem
Haushalt sinnlos sind. Die Renditen für Aktien gingen hinter der
Gewinnerwartung zurück und viele Menschen konnten die Zinsen für
die von ihnen beliehenen Häuser oder ihr Land nicht mehr aufbringen.
In dieser Folge verkauften viele ihre Aktien, womit die Aktienkurse anfingen
zu sinken. Dies mündete schließlich in massenhaften Panikverkäufen
auf den Aktienmärkten, um vom Geld zu retten, was zu retten war.
Die menschlichen Bedürfnisse sind eben nicht unendlich.
Es mussten Lösungen für ein Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage her!
Die Produzenten führten 1930 die
geplanten Obsoleszenz ein.
Von 1933 bis 1938 wurde in den USA mit einer Serie von
Wirtschafts- und Sozialreformen der
New Deal eingeführt.
Roosevelt
folgte damit im Großen und Ganzen den Empfehlungen
des
Ökonomen John Maynard Keynes,
der anhand des
steigenden Produktivitätszuwachses
für seine Enkelkinder, also Heute, eine 15 Stunden Woche vorhersagte,
WENN
Produktivität
und Löhne proportional zueinander anstiegen.
Quellen: David Graeber: Bullshit Jobs; Klett-Cotta; ISBN 978-3-608-98108-7; S.268,
David Graeber: Bullshit Jobs, A Theory,
Grafik.
Anhand der Grafik können wir sehen,
dass die USA dieser Forderung von Keynes nach dem zweiten Weltkrieg auch nach kam.
Ab 1962 zeichnete sich der Beginn einer ersten Auflösung ab.
Ab 1972 wird die Abkehr von Keynes Konzept deutlich sichtbar und
die Löhne wurden auf einem
bestimmten Niveau eingefroren.
Warum?
Betrachten wir nun die Entwicklung für die Verteilung der
Arbeitskräfte in den verschiedenen Wirtschaftssegmenten.
Seit 1962 verzeichnete die Forst- und Landwirtschaft eine Rückgang
um ca. 5% und das verarbeitende Gewerbe einen Rückgang um ca. 15%.
Zusammen sind dies ca. 20%, die offenbar durch den Dienstleistungssektor
aufgefangen wurden, da hier die Beschäftigung um ca. 20% anstieg.
Finanziert wurde dies meiner Meinung nach über die Gelder, die in
der Industrie durch die Rationalisierung als relativer Mehrwert frei wurden.
David Graeber
erklärt die Finanzierung im Buch "Bullshit Jobs"
genau mit dieser Argumentation.
Bei der Finanzierung spielt der
tendenzielle Fall der Profitrate
(nach Marx) eine
entscheidende Rolle. Der tendenzielle Fall der Profitrate bezeichnet
hier einen Zyklus von Anstieg und Verlust eines Mehrwertes, mit einer
allgemeinen Tendenz zur Senkung.
Ein relativer Mehrwert entsteht den
Produzenten z.B. durch Rationalisierungen oder Lohnsenkungen als Zusatzgewinn.
Die Produzenten verschaffen sich hiermit einen Wettbewerbsvorteil gegenüber
ihren Konkurrenten.
Dieser Wettbewerbsvorteil verliert sich aber, sobald
die anderen Produzenten mit Rationalisierungen oder Lohnsenkungen nachziehen.
In der Regel fließen die Zusatzgewinne dann in
eine Kriegskasse für zukünftige Kämpfe um Marktanteile.
Der relative Mehrwert geht verloren, sobald die Produzenten anfangen,
sich im Kampf um Marktanteile gegenseitig zu unterbieten.
Der Wettbewerb um Marktanteile ist ein Verdrängungskampf,
der auf die Erbeutung fremder Marktanteile zielt.
Der Kampf um Marktanteile kann sich soweit steigern,
dass die Produzenten anfangen, sich gegenseitig
so stark zu unterbieten, dass sie ihre Produkte sogar unter ihren
Herstellungskosten anbieten.
Die Verluste werden dann jeweils aus einer Kriegskasse des Unternehmens bezahlt.
Dies geht hin bis zum Konkurs anderer Anbieter, wobei deren Markt dann von
den verbleibenden Produzenten übernommen wird.
In diesem Kampf um Marktanteile geht der relative Mehrwert aller
Produzenten verloren.
Wegen seines regelmäßigen Verlustes
im Marktzyklus wird dieser Mehrwert daher als relativ bezeichnet.
Hierbei sinkt auch die Profitrate am Einzelstück, wobei der
Rückgang am Gesamtprofit mit einer Zunahme des Produktionsumfanges
durch den dazugewonnenen Markt ausgeglichen wird.
D.h., der Gewinn am Einzelstück wird geringer
und der Produzent macht nun seinen Gewinn mit der Masse.
Aus diesem Grund sprechen wir vom tendenziellen Fall der Profitrate.
Der Gesetzgeber eines Staates ist in der Lage, durch neue
Verwaltungsvorschriften zusätzliche Verwaltungsarbeiten von den
Unternehmen einzufordern. Dies trifft alle Unternehmen in einem
Wirtschaftsraum in gleicher Weise. In Folge dieser neuen Verordnungen
müssen sowohl im Staat als auch in Unternehmen zusätzliche
Abteilungen aufgebaut werden, die diese Arbeiten leisten.
Ein Beispiel hierfür ist die Erweiterung des Steuerrechts in der
BRD im Jahre 1968 oder das Qualitätsmanagement oder die
Zertifizierung von Betrieben. Keins dieser Instrumente führte zu
einer Verbesserung der Qualität oder der Verlängerung der
Lebensdauer unserer industriellen Produkte. Denn der Mangel an Qualität
wurde als eingebaute Obsoleszenz vielfach nachgewiesen. Es zeigt nur
die Absurdität des gesamten Systems.
Mit dem Instrument neuer Verwaltungsvorschriften war die Finanzelite
über den Staat in der Lage,
den Wettbewerb um Marktanteile zu zügeln.
Die Unternehmen waren
nun gezwungen, den von ihnen selbst erwirtschafteten
relativen Mehrwert anzuzapfen, um diesen zur Finanzierung der
vom Staat geforderten Verwatungsaufgaben in ihren Unternehmen einzusetzen.
Steigende Steuern machten gleichfalls eine Aufblähung der Bürokratie
im Staat möglich und schuf Abteilungen, die auch den vom Gesetzgeber
geforderten zusätzlichen Verwaltungsaufwand bedienten.
So wurden die Bullshit Jobs im Kapitalismus finanziert.
Und all diese künstlichen Jobs dienten nun wiederum
der Stabilisierung des volkswirtschaftlichen Kaufkraftvolumens
und der Nachfrage.
Diese neuen Bullshit Jobs im Dienstleistungssektor wurden schleichend und unsichtbar
mit dem von den Unternehmen erwirtschafteten relativen Mehrwert finanziert.
Die Bullshit Jobs machen im Kapitalismus
ca. 20% des gesamten Arbeitsaufkommens aus.
Weiterführende Betrachtungen für die BRD zeigen, dass
es zwischen den Zahlen für die BRD und denen der USA im hier betrachteten
Zeitraum nur geringfügige Abweichungen gibt.
Siehe Video:
Automatisierung, Arbeitszeit und Arbeitslosigkeit
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